Gesetze guter Gestaltung – Teil 2

In den späten 1970er Jahren machte sich Dieter Rams – der deutsche Produkt- und Chefdesigner bei Braun – zunehmend Sorgen um den Zustand einer Welt, die er als „eine undurchschaubare Verwirrung von Formen, Farben und Geräuschen“ empfand. Im Bewusstsein, dass er als Gestalter maßgeblich zu dieser Welt beitrug, stellte er sich eine wichtige Frage: Ist mein Design gutes Design? Seine Antwort formulierte er als zehn Thesen.

01 Gutes Design ist innovativ

Die Möglichkeiten für Innovationen sind längst nicht ausgeschöpft. Die technologische Entwicklung bietet immer wieder neue Ausgangspunkte für zukunftsfähige Gestaltungskonzepte, die den Gebrauchswert eines Produktes optimieren. Dabei entsteht innovatives Design stets im Zusammenschluss mit innovativer Technik und ist niemals Selbstzweck.

02 Gutes Design macht ein Produkt brauchbar

Man kauft ein Produkt, um es zu benutzen. Es soll bestimmte Funktionen erfüllen – Primärfunktionen ebenso wie ergänzende psychologische und ästhetische Funktionen. Das Design optimiert die Brauchbarkeit und lässt alles unberücksichtigt, was nicht diesem Ziel dient oder ihm gar entgegensteht.

03 Gutes Design ist ästhetisch

Die ästhetische Qualität eines Produktes ist integraler Aspekt seiner Brauchbarkeit. Denn Geräte, die man täglich benutzt, prägen das persönliche Umfeld und beeinflussen das Wohlbefinden. Schön sein kann aber nur, was gut gemacht ist.

04 Gutes Design macht ein Produkt verständlich

Es verdeutlicht auf einleuchtende Weise die Struktur des Produkts. Mehr noch: Es kann das Produkt zum Sprechen bringen. Im besten Fall erklärt es sich dann selbst.

05 Gutes Design ist unaufdringlich

Produkte, die einen Zweck erfüllen, haben Werkzeugcharakter. Sie sind weder dekorative Objekte noch Kunstwerke. Ihr Design sollte deshalb neutral sein, die Geräte zurücktreten lassen und dem Menschen Raum zur Selbstverwirklichung geben.

06 Gutes Design ist ehrlich

Es lässt ein Produkt nicht innovativer, leistungsfähiger, wertvoller erscheinen, als es in Wirklichkeit ist. Es versucht nicht, den Verbraucher durch Versprechen zu manipulieren, die es dann nicht halten kann.

07 Gutes Design ist langlebig

Es vermeidet, modisch zu sein und wirkt deshalb nie antiquiert. Im deutlichen Gegensatz zu kurzlebigem Mode-Design überdauert es auch in der heutigen Wegwerfgesellschaft lange Jahre.

08 Gutes Design ist konsequent bis ins letzte Detail

Nichts darf der Willkür oder dem Zufall überlassen werden. Gründlichkeit und Genauigkeit der Gestaltung sind letztlich Ausdruck des Respekts dem Verbraucher gegenüber.

09 Gutes Design ist umweltfreundlich

Design leistet einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung der Umwelt. Es bezieht die Schonung der Ressourcen ebenso wie die Minimierung von physischer und visueller Verschmutzung in die Produktgestaltung ein.

10 Gutes Design ist so wenig Design wie möglich

Weniger Design ist mehr, konzentriert es sich doch auf das Wesentliche, statt die Produkte mit Überflüssigem zu befrachten. Zurück zum Puren, zum Einfachen!

Gutes Design

Die Thesen auf dem Prüfstand

So bestimmen die o.g. (mehr oder weniger) expliziten Regeln den Arbeitsalltag von Gestaltern digitaler und analoger Medien. Dieter Rams stellt dazu noch fest:. „Eine unumstößliche Festschreibung sollen und können diese Thesen nicht sein, denn die Vorstellungen, was gutes Design ist, entwickeln sich weiter – so wie sich auch Technik und Kultur weiterentwickeln“ Und recht hat er. Gestaltungsregeln sind nicht in Stein gemeißelt, man sollte sie immer wieder auf ihre Gültigkeit hin überprüfen. (Page 10.2016, S. 19)

2016 stellte die Page-Redaktion des Magazins der Kreativbranche die zehn Designprinzipien neu zusammen, denn Gestaltungsregeln sind so substanziell wie eh und je. Zu jeder These kamen Branchen-Experten zu Wort:

01 Gutes Design ist ästhetisch. Jochen Rädeker:

„Wenn wir uns als Designer auf die Wirksamkeit von Ästhetik verlassen, machen wir uns zum Spielball von Menschen, die damit eigentlich gar nichts anfangen können und rein auf geschmäcklerischer Ebene urteilen. Deshalb müssen wir unser Design begründbar machen.“ Design ist vielmehr Folge des logischen Denkens und damit messbar, weil es im besten Fall auf strategischer Arbeit und logisch-konzeptioneller Herleitung basiert.

02 Gutes Design ist so wenig Design wie möglich. Stuart Tolley:

Aktueller denn je, weil die momentanen Medien zur Reizüberflutung führen. Minimalismus ist der neue Trend, Gestalter dürfen dabei aber nicht den User aus dem Fokus verlieren. Denn bei aller Reduktion muss die eigentliche Botschaft doch erhalten bleiben.

03 Gutes Design braucht Weißraum. Lukas Bezler:

Weiß- oder Negativraum ist Umraum, den Gestalter bewusst freilassen, um Elemente des Layouts zu umspielen. Durch die Vergrößerung der Leerfläche erhöhen sie die Spannung im Layout und lenken den Blick des Betrachters stärker auf die Inhalte. Grundsätzlich brauchen alle Elemente einen gewissen Umraum, um wirken zu können oder überhaupt wahrgenommen zu werden. Hierbei kann man sich  deutlich auf die Figur-Grund-Beziehung der Gestaltgesetze berufen.

04 Serifenschriften eignen sich nicht fürs Webdesign. Timm Kekeritz:

Da sich die Screenauflösung bei den meisten Bildschirmen so deutlich verbessert hat, ist diese Regel überholt. Typedesigner optimieren Schriften kontinuierlich für das Web. Inzwischen kann man sagen, dass im Netz dieselben Gestaltungsregeln gelten wie für Print.

05 Gemeine dürfen niemals gesperrt werden. Erik Spiekermann:

Gestaltungsregeln sind immer abhängig vom Kontext. Vieles ist einfacher, wenn man sich an die Grundregeln der Lesbarkeitsforschung hält.

06 Gutes Design ist langlebig. Karsten Weil:

Ja, vor allem im Produktdesign. Betrachtet man Designklassiker wie den Eames Chair, der seit einigen Jahren ein enormes Comeback feiern konnte und sich nach wie vor großer Beliebtheit erfreut. Auch die von Joseph Müller-Brockmann in den 1960er entwickelten Rastersysteme behalten in ihrer Ausgewogenheit zwischen Typografie, Layoutelementen und den definierten Proportionen weiterhin an Gültigkeit. Eine kurzlebigere Gestaltung hingegen kann aber auch eine kreative Spannung für Neues schaffen und bringt so Entwicklung mit sich.

07 Don’t touch the logo. Olaf Stein:

„Diese Regel ist heute nicht mehr einzuhalten […], weil viele Brands ihren Ursprung in der analogen Ära haben und sich auf die Digitalisierung einstellen müssen. […] Sie müssen heute sehr fluide sein und sich an immer neue Devices und Formate anpassen können.“

08 Form follows Function? Lukas Cottrell:

„Das Missverständnis: Im Ursprung zielte Form follows function nicht auf rein funktionale Nacktheit ab, sondern darauf eine Form zu finden, die dem Zweck des Objekts gerecht wird. Das diese Form uns nicht nur rational überzeugt,  sondern auch emotional berührt und Spaß macht, ist durchaus erlaubt und erwünscht – solange die Ästhetik nicht auf Kosten der Funktionalität geht.[…] Vielleicht wäre es daher ein sinnvoller Schritt, nicht mehr nach der puren Funktion einer Form zu fragen, sondern nach ihrer Wirkung. So würde der Kontext in dem wir ein Objekt nutzen wieder in den Mittelpunkt rücken. […] Form follows impact wäre daher der zeitgemäße Ansatz. “

09 Gutes Design ist innovativ. Stefan Wölwer:

„Der permanente Austausch zwischen Designern, Ingenieuren und Informatikern [u.a.] kultiviert einen kreativen Loop. Mit anderen Worten – Innovation!“

10 Die Idee zählt. Alexander Schill:

„Die Idee zählt nach wie vor, denn ohne Idee ist alles nichts. Natürlich muss ihr eine gute Gestaltung folgen. Aber eine schlechte Idee gut umgesetzt, bleibt immer noch eine schlechte Idee. Sieht gut aus, erreicht die Menschen aber mit einer falschen Botschaft.

All diese Regeln stellen einen guten Kanon zusammen, auf den man sich als Gestalter berufen kann, wenn man das eigene Design „verteidigen“ muss. Sie bieten Orientierung und  liefern eine gute Basis. Aber auch hier gilt: Regeln sind da, um gebrochen zu werden. Oft macht dies den Reiz eines Projektes aus, weil es aus der Reihe fällt, ja auffällt. Neues wagen und gewinnen oder scheitern ist alles Teil des Prozesses, der sich Gestaltung nennt.

Leseempfehlung zu diesem Thema: „Good Design is a Tough Job“ – ein Manifest des renommierten Designbüros Strichpunkt über 20 Thesen zu gutem Grafikdesign.

Quellennachweise:

Diverse Autoren (2016): Was ist gutes Design heute?, in: Page – Das Magazin der Kreativbranche, 10/2016, Ebner Verlag, Ulm, S. 19-28

https://www.vitsoe.com/de/ueber-vitsoe/gutes-design

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Bild-Nummer: 102634136, 102634141 von arthurhiddenstock.adobe.com

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